Sonntag, 26. Februar 2012

Ich versteh' nur Friedhof


Am Freitag hatte ich keine Schule, da ich mich mit fünf anderen Freiwilligen und einigen meiner Organisation ARA in dem Haus des Gründers nähe Accra trafen. Wir sind Mitglieder eines Komitees, das sich dazu trifft, zu besprechen, ob es Projekte gibt, die man mit Spenden unterstützen kann oder neue Projekte mit Spendengeldern aufbauen kann. In zwei Wochen werden wir uns wieder treffen um die Projekte und deren Unterstützung detaillierter zu besprechen und zu planen.

Ich nutzte die Gelegenheit und Nähe zu Accra, mal wieder in die Hauptstadt zu fahren. Ich wollte gerne mal alleine umherreisen und mich alleine durchschlagen müssen. Ich wollte bewusst in einem Hostel und keinem Hotel schlafen und hatte mich spontan nach einem Tipp einer anderen Freiwilligen für eine Unterkunft entschieden. Ich nahm ein Trotro nach Accra und erwartete, bald an der Haupt-Trotro-Station auszusteigen um von dort zum Hostel zu fahren. Falsch gedacht. Der „last stop“ war dann – irgendwo. An dem Ort war ich noch nicht und kannte mich somit nicht aus, doch fragte ich mich durch und kam so immerhin schon einmal in die Nähe. In dieser Nähe sah ich einen Supermarkt, der von außen gehobener als andere aussah. Davor gab es eine hohe Konzentration dicker Geländewagen. Die Tür wird einem beim Eintreten geöffnet, meinen Rucksack musste ich abgeben. Der Supermarkt war gut von Weißen und Schwarzen besucht, doch hatte ich das Gefühl, dass in dem Stadtteil Osu (in dem ich mich aufhielt) sowieso mehr Weiße sind. Die Preise waren eher der höheren Schicht entsprechend. Ich kaufte mir nur Kleinigkeiten. Und wie komme ich jetzt wieder an meinen Rucksack? Ich ging durch die Kassen wieder zurück in den Laden und zum Eingang. Der Türöffner teilte mir mit, dass ich die Tasche durch ein Fenster nach draußen gereicht bekommen würde, wenn ich durch den Ausgang und dann wieder zum Eingang ginge. Ich meinte, dass meine Tasche doch hier vor mir wäre, befolgte aber den beschriebenen Weg, umkreiste den Supermarkt, kam wieder zum Eingang - nun von außen – der Mann öffnete das Fenster und reichte mir meine Tasche. So einfach kann's sein!

Ich suche weiter meinen Weg zur Unterkunft, wurde unterwegs von fünf jungen (wahrscheinlich) Britinnen nach dem Weg zu einem Ort gefragt und ich fragte sie nach meinem Hostel. Keine Gruppe hatte Ahnung :) Ich zog weiter, fragte mich weiter durch und kam endlich an. Gerade stand ich vor dem Tor der Unterkunft der Salvation Army (Heilsarmee), hüllte sich alles um mich herum ins Dunkel. Keine Angst, mir ging es gut, es war nur Stromausfall. Der Mann führte mich in ein (nun dunkles) Zimmer und wies mir einen Schlafplatz im Fünf-Bett-Zimmer zu. Auf der Bank davor redeten Weiße in fremden Sprachen (:)) und auch das Englisch verstand ich zu Beginn nicht, als sie kurz mit dem Mann sprachen. Mit ihnen und ein paar anderen Weißen kam ich später ins Gespräch. Es waren auch Freiwillige, so wie ich. Einige hatte – wie ich – Halbzeit, andere wollten am nächsten Tag abreisen. Die ersten auf der Bank sprachen übrigens auch deutsch – es waren Schweizer. Die anderen kamen aus Deutschland.

Am nächsten Morgen war ich zwar schon um viertel nach sechs wach, aber was reitet einen anderen Zimmergenossen – während andere noch schliefen – sich um diese Zeit einen neuen Handy-Klingelton auszusuchen? Nach im-Reiseführer-blättern und einer zweiten Schlafrunde wollte ich nach Aburi und den dortigen Botanischen Garten aufbrechen. Kurzum: Ich wartete über eine Stunde an der Trotro-Station auf einen Bus, bis es langsam knapp wurde, in den Garten und anschließend wieder nach Agona Swedru zu fahren, so dass ich direkt wieder nach Hause aufbrach.

Zuvor war ich noch in der Stadt unterwegs und hörte laute Laute aus dem Stadion. Diese Mal gab es dort kein Fußballspiel zu sehen, sondern eine Wahlveranstaltung der PPP-Partei für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Ich schaute mir dies ein bisschen an.

Auf dem Weg zu Trotro-Station wollte ich noch einen kurzen Abstecher zum Friedhof machen, den ich auf der Karte in meinem Reiseführer gesehen habe. Dort traf ich zuerst auf eine Mauer und suchte nach dem Eingang. Ich fand einen Durchbruch, an dessen Stelle sich dahinter aber kein Friedhof befand, sondern sie eher einer Müllhalde glich. Von einer weiter entfernteren Mauer zischte mir jemand zu und er wies mir den Weg auf das Friedhofsgelände. So ging es für mich durch Müll, Kot, Fliegen und Gestank, bis an einen Bereich der Mauer, der auch wieder offen war. Dort hatten sich mehrere junge Leute versammelt um „abzuhängen“, komisches Kraut zu rauchen und auf Grabplatten Karten zu spielen oder zu schlafen. Schmutzig war es dort aber auch. Ich kreuzte die Gruppe und ging mehr ins Innere des Hofes. Dort sprach mich einer an, sagte mir, dass er dort arbeiten würde und wir unterhielten uns ein bisschen auf dem Weg zu dem Grab, an dem er gerade arbeitete. Es ging über Stock und Stein oder genauer über Erde und Gräber. Die Gräber waren mitunter so dicht an dicht angelegt und auch nicht alle in der selben Ausrichtung, so dass es manchmal gar keine andere Möglichkeit gab, und es lag auch nicht jedes Grab an einem Weg, sondern sie waren meistens direkt hintereinander angelegt.

 

Was mich verwunderte, war der Zustand vieler Gräber, auch welcher von beispielsweise erst 2006. Der Friedhof ist für die Angehörigen der verschiedenen Religionen in Bereiche eingeteilt; Konfessionslose haben auch einen eigenen.


Während meines weiteren Rundgangs wollten sich auch andere Arbeiter von mir gerne fotografieren lassen und versammelten sich dazu gemeinsam auf einer Grabplatte. Ein andere stellte sich auch noch vor und wollte ebenso fotografiert werden. Ok. Während ich weiterging, sah ich einen Zug aus Menschen, angeführt von einem Leichenwagen, auf mich zukommen. Ich ging ihnen aus dem Weg und stellte mich an die Seite; einerseits, um sie ungehindert passieren lassen zu können, andererseits um mir den Zug anzuschauen. Es gab nicht nur einen Trauerzug, da der Samstag der traditionelle Beerdigungstag ist (das ist jedenfalls mindestens in der Central- & Graeter Accra-Region der Fall). Der zuletzt Fotografierte kam wieder zu mir. Von ihm erfuhr ich, dass sein Vater hier der Chief auf dem Friedhofsgelände sei und wenn ich etwas bräuchte, könnte ich mich an ihn, seinen Sohn wenden. Ich dankte ihm dafür und fragte, ob es wohl in Ordnung wäre, Fotos von der Zeremonie zu machen. Ja, das wäre kein Problem. In Deutschland hätte ich es sicher nicht gemacht, doch war ich nicht der Einzige, wenn auch wohl der einzige, der nicht zum Zeremoniell gehörte. Die anderen machten Fotos und filmten. Mein Begleiter meinte, dass ich weitere Fotos machen könnte und wir gingen zum nahe gelegenen Grab zu einer Aussichtsplattform (einem anderen Grab). Der Sarg wurde von einigen Männern getragen und da die Gräber wie gesagt dicht an dicht und hintereinander stehen, wurde der Sarg über einen Grabstein herübergehoben und gleich danach schräg in die Grube gehoben. Der Sarg verkantete sich dabei etwas und auch der Deckel verschob sich um ein, zwei Zentimeter, wurde aber mit einem Schlag wieder verschlossen. Danach hatte ich das Gefühl, dass es anders roch, was aber auch woanders hergekommen sein mag.
 

Ein Pastor predigte und vermutlich ein Angehöriger sprach ebenso etwas. Vom Pastor wurde etwas Erde auf den weißen Sarg geworfen. Angehörige Frauen warfen Blumensträuße in Klarsichtfolie darauf und es wurde gemeinsam gebetet. Es war keine große Trauergemeinde, wie man sie sonst von Beerdigungsveranstaltungen in der Stadt sieht, es kann aber auch sein, dass bei der eigentlichen Beerdigung nicht so viele Menschen anwesend sind. Die meisten von ihnen waren fröhlicher als ich das bei einer Beerdigung erwartet hätte. Mir war es nicht sehr angenehm die Fotos zu machen, doch fiel es mir auf der anderen Seite auch wieder leichter, da ich sehe, dass die Ghanaer dem fotografieren weniger zurückhaltend gegenüberstehen.

Mein Begleiter meinte zwischendurch erneut, dass ich mich an ihn wenden könnte und ich entgegnete, dass ich nichts zum Rauchen bräuchte und lag damit gar nicht so verkehrt, da er dann auch selber davon sprach :) Er begleitet mich dann noch vom Friedhof, wir unterhielten uns ein bisschen und er ließ sich ein Wasser ausgeben, bis ich selber weiter zog, um zur Trotro-Station zu gehen und zu versuchen, mein Aburi-Trotro zu bekommen (siehe oben).

Donnerstag, 2. Februar 2012

Feuer und Ratte

Ein weiterer Eintrag der mit einem Regenguss eingeleitet wird. Wie schon gehabt: es wurde dunkel (die Wolken hingen aber wirklich tief) und bald darauf regnete es schon wieder in der Trockenzeit. Ich hüllte mich in meine Regenjacke und schaute mir das Schauspiel wieder aus der Nähe an. Da unser Shop schon geschlossen war, stellte ich mich unter und blickte in unseren Innenhof. Mit der Zeit wurde es einem kleinen Tier vielleicht doch zu viel Wasser und ich sah, wie vor mir plötzlich ein Nagetier von der Seite angetippelt kam. Ich schätze, es war eine Ratte, doch süß war sie. Sie sah und bemerkte mich nicht, da ich mich nicht bewegte, und ich schaute ihr beim reinemachen zu (ob sie duschen wollte?).


Als sie verschwand, schaute ich wieder in den Himmel und sah schwarzen Rauch. Ist etwa in der Nähe ein Blitz eingeschlagen? Ich wollte mir den Ursprung genauer ansehen und folgte dem Rauch. Er war schnell zu finden und er war immer dichter, je näher ich kam. Ich schätze, dass es auf einer Fläche von etwa 3m² brannte.

Ich schaute mir das Schauspiel einige Zeit an – es war warm wie am Osterfeuer, roch nur anders! Es waren noch weitere Leute dort, für die es allerdings kein besonderes Schauspiel war und die die Verursacher des Feuers waren. Ich fragte, was denn dort verbrannt werden würde. Mir wurde mitgeteilt, dass sie dort eine Schlange hätten, die sie vertreiben wollten. Meine Antwort daraufhin, dass man ja an dem anderen Ort dann auch wieder ein Feuer entzünden müsste, fanden sie lustig und ich fragte mich, ob es nicht vielleicht noch andere Gründe geben mag. Auf dem ganzen Gelände war der Boden nämlich von Feuern verkohlt. Die müssen ein großes Schlangenproblem haben! Außerdem lagen viele Kleinteile Elektroschrott herum, so dass ich davon ausging, dass dort eher diese Teile verbrannt werden, um am die Metalle darin zu kommen. Auf diesem Gebiet bin ich kein Experte, doch soll das in einem Teil der Hauptstadt Accras üblich sein – hier habe ich es allerdings noch nicht gesehen.


Auf dem kurzen Rückweg zum Haus drehte der Wind, so dass er genau in meine Richtung zog. Ich versuchte die Luft anzuhalten und ab und an einen Atemzug zu nehmen. Angenehm waren die nicht. Auch später roch ich noch nach dem Rauch.

Zuhause sprach ich meinen Gast-Bruder auf das Feuer und auch die Schlange an und er meinte, dass das schon sein könnte, oder dass sie dort eine tote Schlange verbrennen würden, da so etwas ebenfalls nicht unüblich sei. Das wäre allerdings ein großes Feuer für eine Schlange gewesen und so meinte er auch, dass ich mit meiner Vermutung ebenfalls richtig liegen könnte.

Zwei Tage später ging ich abends in unseren Innenhof und erschrak ein bisschen, als ich etwas neben der Küchentür liegen sah: Es war eine erschlagene Ratte. Mein anderer Gastbruder hatte sich um diese gekümmert. Hmmm. Ob es die süße von zuvor war?