Sonntag, 29. April 2012

Fünf Anekdoten

Ob man es glaubt oder nicht, doch ist dies schon der 30. Eintrag in meinem Blog. In diesem Eintrag schreibe ich von Erlebnissen, über die ich mich wunderte oder die mich zum Schmunzeln gebracht haben.

I
Wenn man mit dem Trotro unterwegs ist, gibt es am Fenster ja oft die Möglichkeit Trinken, Essen oder Firlefanz zu kaufen. Danach muss natürlich etwas mit dem übriggebliebenen Müll anfangen. Leere Trinktüten kann man zum Beispiel einfach in die Hose stecken und zu Hause in den Abfall werfen (der dann aber bei uns neben dem Haus von Zeit zu Zeit verbrannt wird (siehe Bilder)). Oder - und das ist die übliche Vorgehensweise - man wirft den Müll einfach im Trotro auf den Boden. Das klingt auf den ersten Hör nicht so schön. Am Ende der Fahrt wird dann das Auto ausgekehrt und der Müll landet bei der Trotro-Strtion auf dem Boden. Klingt immer noch nicht gut, doch ist darin schon der Vorteil versteckt. Es gäbe nämlich noch eine dritte Möglichkeit: Während der Fahrt aus dem Fenster damit! Und dann wäre der Müll überall in der Natur (was er vieler Orts auch ist) und nicht gesammelt an einer Stelle, die auch regelmäßig gereinigt wird.


Als ich mit meiner Freundin im Trotro unterwegs war, wollte gerade ein Passagier seine Trinktüte aus dem Fenster entsorgen. Der Geld sammelnde Mate, der in jedem Trotro sitzt, sagte ihm, dass er die Tüte auf den Boden des Autos werfen wollte. Ich war begeistert. Da war noch jemand dafür, nicht noch mehr Müll ins Grüne zu werfen!

Der Fahrgast war wohl mit der Lösung nicht so glücklich und es schien ihn irgendwo zu kribbeln. Als das Trotro mal wieder hielt und Passagiere aus- und einstiegen, nutzte er seinen Fuß (da hatte es wohl gekribbelt) und kickte die leere Tüte nach draußen an die Straße. Ich hätte ihn hinterherkicken können.


II
Mein ältester Gastbruder spielt öfters Musik bei Kirchenveranstaltungen. Zu so einer lud er mich einmal ein. Gewohnt bin ich es ja schon, dass es bei so etwas immer etwas lauter ist - vor allem dann, wenn gepredigt wird. Mein Gastbruder war schon vor mir da gewesen und hatte gespielt. Als ich kam, suchte ich mir einen Platz. An dem konnte ich gut hören - oder es war eher so, dass ich das Gefühl hatte, dass die Boxen nur in meine Ohren brüllten. Nicht so schön. Während der Predigt kam mein Gastbruder, ich sagte ihm, dass es für mich doch etwas laut wäre und er nahm mich mit zu den Musikern nach hinten. Ich bekam einen Stuhl, etwas abseits der Boxen, so dass es immer noch laut war, aber besser. Da aber gerade Stromausfall war, war es doch nicht angenehmer. Nur wenige Meter von meinem neuen Platz entfernt, brummten drei Generatoren um die Wette und mit der Lautstärke hätte ich doch auch an meinem alten Platz bleiben können. Das war wohl ein klassischen Fall von "vom Regen in die Traufe".


III
Ich habe es ja ganz gern, wenn die Leute nicht sofort erkennen, dass ich ein Deutscher bin. Nicht, dass mir das peinlich oder so wäre, aber ich habe die Hoffnung, dass ich nicht wie ein Standard-Deutscher aussehe oder rumlaufe. Würde ich einen Mann mit Unterhemd, Trainingshose, Badelatschen und vielleicht noch einem Bier in der Hand sehen, würde ich mich dazu hinreißen lassen, in ihm einen Deutschen zu vermuten. Würde man mich durch einen Stereotyp als Deutschen erkennen, dann wäre mir das (je nach dem) schon peinlich.

Als meine Freundin hier war, waren wir gerade an einer Straße in der Nähe des Akosombo-Staudamms unterwegs und ich erzählte ihr davon, dass ich es ganz gerne habe, nicht gleich als Deutscher erkannt zu werden. Nach diesem Satz bemerkte ich erst bewusster, was ich an der Hand hielt. Eine Tüte. Von Edeka.


IV
Wie so üblich sind die meisten Leute um mich herum schwarz. Das ist also ein ganz normales Bild. Wenn man Weiße sieht (es gibt ja doch einige Freiwillige hier), fallen sie ins Auge - gerade, weil man hier eher Schwarze gewöhnt ist.

Ich gehe so wie üblich durch Swedru. Dabei richtete ich auch mal meine Blick auf den Boden. Das Bein, welches gerade noch hinter mir war, kam nach vorne und ich bekam einen kleinen Schreck: Huch, weiß. Ja, wenn man sonst eher schwarze Haut um einen herum gewöhnt ist... :)


V
Ich saß mal wieder so in unserem Shop und hatte miterlebt, wie ein Bus in Bulli-Größe am Straßenrand parkte und ein riesiger LKW dran vorbeifahren wollte. Der Beifahrer des LKW haute dem Klein-Bus dabei noch aus Spaß schön scheppernd aufs Dach.

Bis zu Hälfte klappte das Überholen ganz gut, doch dann kam er zu nah dran, verhakte sich und ließ den Bulli etwa einen Meter nach vorne hüpfen. Das war zwar doof gelaufen und die hintere Stoßstange des Busses war abgefallen, aber passiert halt :) Der LKW-Fahrer schaute sich das Geschehen nur aus seinem Führerhaus aus an und auch der Bus-Fahrer begutachtete den Schaden nur, befestigte die Stoßstange wieder und es konnte weitergehen (mit den Passagieren, die übrigens im Bus waren). So einfach kann es sein.


Sonntag, 22. April 2012

Examen

Mittwoch hatte ich es geschafft. Ich war durch! Puh.

Zum Ende eines jeden Terms (drei an der Zahl gibt es im Jahr - Trimester passt also gut) stehen die Examen an. Das waren nun sieben Tage, die sich nur darum drehten – sowohl für die Schüler als auch die Lehrer. In jedem Fach wurde eine Arbeit geschrieben. Also eine große Anforderung für die Schüler, die ganze Woche mit frischem Kopf dabei zu sein. Die Form Four-Schüler hatten nun noch keine Examen, da diese sich auf ihre Abschluss-Examen vorbereiten müssen. Danach kann es für sie an die Uni gehen.

Für die Lehrer wurde es auch anstrengend. Unsere Aufgabe war es zuerst, die Schüler während der Examen zu bewachen. Dazu hatten wir im Vorfeld von der Schule einen Plan bekommen, aus dem zu ersehen war, wann man selber Aufpasser sein durfte. Ich kam in dieser Zeit neun mal dran, manche sogar 13 mal. Im vorletzten Satz Satz hatte ich geschrieben, dass ich "Aufpasser sein durfte" und durfte ist auch ernst gemeint, brachte es doch wieder etwas Abwechselung in den Schulalltag. Beim Examen am Ende des ersten Terms war ich ja zu Beginn noch mit jeweils einem anderen Lehrer in der Klasse, diesen Term wurde immer ein Lehrer pro Klasse eingeteilt.

Das Lehrer--Einteilungs-Blatt

Als Lehrer findet man sich dann zu der entsprechenden Zeit im Lehrerzimmer ein und nimmt sich den Stapel mit den Frage- Antwort-Blättern. Außerdem ist auf dem Packen vermerkt, in welchen Klassenraum man gehen muss. Das kann dann z. B. "Almighty Block 6", "Staff Block 2" oder auch der "Uncompleted Block" sein. Der Almighty-Block ist der, in dem auch unser ICT-Raum untergebracht ist, der Staff-Block beherbergte bis vor ein paar Wochen auch das Lehrerzimmer (nun sind wir  in einen schicken Neubau umgezogen), doch der Name ist geblieben, und der Uncompleated-Block wird später mal mindestens zwei Zimmer im Erdgeschoss haben, noch gibt es aber nur das Fundament, Stützpfeiler und darüber wieder eine Beton-Decke. Genug um nicht in der Sonne sitzen zu müssen, aber trotzdem dort schreiben zu können.

Der Staff-Block (kurz bevor die Straße asphlatiert wird)
Im Uncompleted-Block
Die meisten Schüler warten dann schon darauf, dass ein Lehrer kommt, doch ist zu Beginn immer noch viel Gewusel, da dann manchmal erst damit begonnen wird, die Rucksäcke rauszubringen, da diese während der Arbeiten nicht am Platz sein dürfen. Ich gebe dann eine Liste rum, in der jeder Schüler sich mit Namen, Klasse (es sind oftmals Schüler mehrerer Klassen in einem Raum für die Examen), Schüler-ID und Unterschrift verewigen muss. Die leeren Antwortblätter lasse ich auch schon verteilen. In der Zwischenzeit zähle ich die Arbeiten ab, so dass ich danach zügig die benötigte Anzahl an Blättern in jede Tischreihe geben kann. Dann kann es losgehen. 1,5 oder auch drei Stunden. Nach dem Start kann es auch passieren, dass noch einzelne Schüler in den Klassenraum kommen und verzögert starten.

Zu Beginn läuft es immer sehr gesittet ab, das ist sehr angenehm. Mit der Zeit versuchen aber doch Schüler, sich auszutauschen. Das ist besonders für den ersten Teil der Arbeit einfach, da dort üblicherweise immer 30-40 Ankreuzaufgaben gestellt werden und ein kurzes "d" saust dafür schneller von A nach B, als für den zweiten Teil des Examens, bei dem es sich eher um Aufgaben handelt, die man in Textform beantworten muss.

Es reichte für den Moment, wenn ich die entsprechenden Schüler einfach anzischte und sie dann wussten, dass ich sie gesehen hatte. Oder ich musste die gesamte Klasse zur Ruhe mahnen. Wenn manche doch zu gesprächig waren, sagte ich ihnen, dass sie sich hinstellen sollten. Auf den Stuhl. Für die anderen Schüler war das immer sehr lustig zu sehen, für den Stehenden wurde es dann schwieriger mit dem Schreiben, da das dann in der Luft zu machen war. Nach fünf bis zehn Minuten durften sie sich wieder hinsetzen. Diese Schüler waren dann auch wieder angenehm ruhig, doch hatte es nicht so sehr den abschreckenden Effekt, so dass manchmal mehrere standen. Das sah auch mal eine Lehrerin, und sie fragte die Schülerin, nachdem sie in der Klassenraum gekommen war (die ja eh immer auf sind), was sie denn dort machen würde, da sie wohl Angst hatte, dass sie so abschreiben wollte. Ich sagte ihr jedoch, dass das so schon seine Richtigkeit hätte. Es kam noch ein anderer Lehrer hinzu und sie entlarvten dies nun auch als Anti-Schummel-Maßnahme. Der Schüler auf dem Stuhl tat mir dann schon etwas Leid, als er hörte, dass das ja peinlich sei dort zu sein und außerdem machten die Kollegen noch Fotos mit ihren Handys von ihm. Er kam mir wie am Pranger vor.

Während der ersten Examen-Woche musste ich die Arbeiten von drei Schülern einkassieren, da sie doch arg gespickt hatten und Blätter untereinander ausgetauscht hatte. Das war mir sehr unlieb. Ein Schüler blieb danach lethargisch sitzen, ein anderer lief zornig aus dem Klassenraum. Später erfuhr ich, wie sich die Note für das Zwischenzeugnis bildet. 30% kommen durch Hausaufgaben und Klassentests zustande, 70% steuert das Examen bei. Hmpf.

Manche anderen Lehrer unterhielten sich während ihrer Aufsicht auf dem Gang und verließen somit ihre Klassen. Was dann in der Klasse los sein musste, konnte eich mir gut vorstellen :)

Bei meinem letzten Examen für diesen Term war RME (Religious Moral Education) dran. Der Raum, in den ich kam, war so voll, dass sogar einige Schüler draußen auf dem Gang Platz nehmen mussten (was allerdings nicht so ungewöhnlich ist). Ich hörten dann von einem anderen Lehrer, dass wir in einen größeren Raum wechseln sollten und so schickte ich die Schüler zu dem Raum, der allerdings doch schon belegt war und daraufhin suchten sie selber einen anderen. Der war nicht größer, aber im Laufe der Suchaktion hatte ich einige Schüler verloren, so dass wir mit dem Platz nun gut auskamen :) Die anderen waren wohl in anderen Klassen untergekommen. Bei dieser Arbeit (für die 1,5 Stunden angesetzt war), bekam ich von einem Mädel nach 20 Minuten deren Arbeit. Huch, die wusste wohl nicht so viel. Oder die Arbeit war sehr einfach. Nach 30 Minuten war kein Schüler mehr im Raum und alle hatten abgegeben.

Danach kam der anstrengende Teil für die Lehrer. Korrigieren! Die Ankreuzantworten kann man zwar an sich einfach abhaken, doch hat man nach ein paar Blättern schon Brei im Kopf. Der zweite Teil ist mit manchen Aufgaben auch leicht zu bewerten, doch muss man sich dabei mehr mit den Antworten befassen, was das ganze sehr langwierig macht. Ich hatte durch meine drei Klassen die ich unterrichte, geschätzt 180 Arbeiten zu korrigieren, was nicht so viel klingt, mich aber doch mehrere Tage beschäftigt hat. Im letzten Term hatte ich gesehen, wie andere ICT-Lehrer die Antworten für Teil eins an die Tafel geschrieben hatten und dann Schüler einer anderen Klassenstufe diesen Teil korrigieren ließen. Das fand ich keine gute Sache. Die Hälfte meiner Arbeiten hatte ich nun schon korrigiert und ein Kollege meinte, dass ich meine restlichen Arbeiten auch an die Schüler geben sollte. Das fand ich auf der einen Seite immer noch nicht gut, andererseits war ich doch sehr froh über die Hilfe, da so die andere Hälfte in etwa 40 Minuten bearbeitet worden war, wobei ich dafür mehrere Stunden (und Tage - nach der Schule) gesessen hätte. Teil zwei musste dann zwar immernoch   bearbeitet werden, aber trotzdem war es eine große Erleichterung.

Alle Ergebnisse trug ich in eine Tabelle ein. Denn deren Anschlussnoten (die 30% + 70%) mussten bis zum 18. April in der Schule in ein Buch eingetragen werden. Ich rechnete mit einer Stunde für alle meine Schüler. Nach mehr als drei Stunden hatte ich die Hälfte. Am darauf folgenden Tag konnte ich nicht gleich weitermachen - es kam wieder hoher Besuch aus der fernen Heimat, mit dem ich die ersten Tage in Accra verbrachte. Somit konnte ich erst am letzten Tag zum Abschluss kommen (wie vermutet waren heute auch mehr Lehrer da). Ich war durch! Puh. Ferien.

Montag, 9. April 2012

Krankenhaus oder liegen lassen?

Vor ein paar Tagen war ich bei ein paar anderen Freiwilligen und wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag mit ein paar leckeren einheimischen Früchten und weiterem Essen. Mein kleinster Gastbruder und ein Mädel, welches ebenfalls mit bei uns im Haus wohnt, waren mit mir dort.

Wir machten uns später zu dritt wieder auf den Heimweg. Nicht weit von dem Haus der anderen Freiwilligen sahen wir jemanden auf der Straße liegen. Es ist so, dass rechts und links der Straße üblicherweise die Abflusskanäle sind, in die man bei Unachtsamkeit auch hineinfallen kann (das hat ein anderer Freiwilliger schon geschafft und ebenso stand vor kurzem in der Zeitung, dass das auch einem Politiker passiert war). Am Rand der Straße und knapp neben dem Kanal lag ein Junge von etwa 15 Jahren. Er lag dort und machte keinen guten Eindruck. Andere Passanten erklärten mir, dass er verrückt sei und damit hatte es sich für sie. Ich schaute ihn mir genauer an und sah eine Wunde mit Blut an seiner Wange, ebenso eine am Bein und am Knöchel. Ebenso hatte er sich eingenässt. Ansprechbar war er nicht, jedenfalls reagierte er nicht auf mich, was ich gut an seinen Augen sehen konnte. Ich fühlte mich etwas überfordert und auch alleine in der Situation, da ja sonst niemand dafür zu haben war, sich mit mir um den Jungen zu kümmern.

Zum Glück war keine 100m entfernt ein Krankenhaus. Ich erklärte meinen beiden Kindern eindringlich, dass sie  bei dem Jungen bleiben sollten, schwang mich aufs Rad (das habe ich mir hier von einem Freund (und ebenfalls Schülers meiner Schule) meines ältesten Gastbruders ausgeliehen). Im Krankenhaus fragte ich nach einem Arzt. Es war keiner da, doch konnte ich einer Krankenschwester mein Anliegen schildern. Sie nahm es zur Kenntnis, zeigte aber auch nicht so viel Motivation, sich um den Jungen zu kümmern zu wollen. Sie fragte, wo er wäre und ich sagte ihr, dass man ihn vom Krankenhaus-Tor aus sehen könnte. Ich lief dorthin voraus und sie kam in Ruhe hinterher. Besonnen zu handeln mag sicher gut sein, doch schien mir dass hier nicht der Grund der Langsamkeit zu sein. Als wir dort standen kam außerdem noch ein Krankenpfleger des Krankenhauses hinzu, so dass ich erneut der Vorfall schilderte. Ich erwähnte ebenso, dass er alle paar Minuten zu zittern und zu verkrampfen begann, was mir dann mit Epelepsie erklärt wurde. Zwei Männer waren außerdem zu uns gekommen und erklärten mir, warum es schwierig werden würde, sich um den Jungen zu kümmern. Der Grund wäre nämlich, dass dann jemand die Kosten für die Behandlung tragen müsste und die dann auf den Helfer zukommen würden, wenn man von der hilfebedürftigen Person nichts bekommen könnte. Jedenfalls kamen sie nicht mit mir zu dem Jungen und ich wollte auch nicht ins Blaue zusagen, die Kosten zu übernehmen.

Ich fuhr wieder zu dem Jungen, schickte meine Begleitungen nach Hause und fuhr zu dem Haus unserer Partnerorganisation nicht weit entfernt, da ich nun nicht wusste, wie ich weiter vorgehen sollte. Ich sagte den beiden Krankenhausmitarbeitern etwas missmutig im Vorbeifahren "Me ba" (bedeutet so viel wie: ich komme wieder).

Der Mitarbeiter der Organisation war leider nicht da, doch konnte ich mit seiner Frau sprechen. Sie Verstand sehr wohl, dass es mein Anliegen war, irgendwie zu helfen, konnte mir aber nichts Neues sagen. Die Leute unternehmen halt nichts wegen des Geldes, aber auch bei Leuten die "verrückt" sind. Ich sollte nach Hause gehen.

So einfach konnte ich die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. Ich fuhr wieder zurück und traf unterwegs eine andere Freiwillige, die ich über den Vorfall informierte. Es tat mir einerseits Leid, sie da mit hineinzuziehen, war aber andererseits auch froh nun jemanden zu haben, der die Sache ebenso wie ich sah.

Wir gingen zusammen zu dem Jungen und ich versuchte wieder mit ihm zu sprechen, doch reagierte er weiterhin nicht auf meine Ansprachen. Dafür sammelten sich nun wieder mehr Schaulustige um uns an. Diese wurden von der anderen Freiwilligen "angesprochen" (wenn man es weich formulieren möchte), wie sie denn denn nicht helfen könnten.

Einige ratlose Zeit und Anfälle des Jungen später kamen wir zu dem Schluss, es doch doch einmal mit dem Krankenhaus zu versuchen. Er durfte nun kommen; eine Trage gab es nicht, so dass ich ihn zum Krankenhaus auf meinen Armen trug. Es war besprochen worden, dass nur die Wunden gesäubert und er gewaschen werden sollten. Während der Zeit gingen wir Freiwilligen los und versuchten neue Kleidung für den Jungen zu besorgen. So gab es neue Wäsche und nun auch Flip-Flops. Den beiden Krankenschwestern (der Pfleger nannte sich auch "nurse") brachten wir als Dankeschön noch Eis mit.

Da wir nicht mit der Idee einverstanden waren, den Jungen einfach wieder auf die Straße zu setzen, schlug der Pfleger vor, auf die Straße zu gehen und uns umzuhören, ob ihn jemand kennen würde. Bei der zweiten Person wurden wir schon fündig. Die Frau brachte und durch einen 10-Minuten-Marsch zu der Familie des Jungen. Große Bestürzung konnte ich bei der nicht feststellen. Die Mutter bedankte sich ohne weitere Emotionen. Ihre Kinder mit aufgeblähten Hungerbäuchen standen daneben. Ein Junge und eine Schwester des Jungen begleitete uns, ihn abzuholen. Die (jüngere) Schwester trug ihn dann ebenso wie ich auf den Armen fort und es hieß, dass man ihn nicht mehr hinauslassen würde. Das mag sicher vor solchen Dingen wie heute schützen, ob das gut ist, ist aber auch fraglich. Ich war erstaunt, dass das Mädchen den Jungen den ganzen Weg tragen wollte, war er doch um einiges länger als mein Trageweg und selbst da wurde er mir schon schwer.

Ein paar Tage nach diesem Vorfall sprach ich nun doch noch mit dem Ansprechpartner meiner Partnerorganisation und er erklärte mir, dass die Ghanaer eigentlich immer schnell zur Stell sind, wenn bei Unfällen oder so geholfen werden muss. So hatte ich mal erlebt, wie ein Mädchen auf die Straße und dabei gegen die Seite eines fahrendes Autos gelaufen ist. Sie lag dann kurz auf der Straße und wurde sogleich von umstehenden geschnappt und in das Auto verfrachtet. Der Fahrer brachte sie zum Krankenhaus. Auch ansonsten wir einem gerne geholfen, wenn man Hilfe braucht.

Für die kleine Behandlung im Krankenhaus mussten wir nichts bezahlen. Ob es daran lag, dass wir Weiße waren, mag sein, doch weiß ich es nicht. Oder daran, dass die andere Freiwillige noch einmal im Krankenhaus nachgefragt hatte. Der Pfleger ließ sich später gerne noch ihre Nummer geben. Meine auch, doch wohl eher aus Höflichkeit – jedenfalls hatte er sich bei mir noch nicht gemeldet :)