Samstag, 21. Juli 2012

Morgens, 1:25 Uhr in Accra

Mein Gastvater betreibt wie schon beschrieben einen Shop, in dem Sanitärmaterial, Wasserrohre und Zeitungen verkauft werden. Die Tages- und Wochenzeitungen werden jeden Morgen (bzw. einmal in der Woche) geliefert. Das ist meistens vor sechs Uhr morgens, manchmal sind sie aber auch um sieben noch nicht da. Außerdem gibt es noch viele verschiedene Glücksspielzeitungen von privaten Anbietern. Diese Zeitungen werden jeden Samstag von meinem Gastvater in Accra gekauft und die nicht verkauften werde zurückgegeben. Letzte Woche Samstag haben ich ihn auf dieser Tour begleitet.

Es beginnt damit, dass er die alten Zeitungen zusammenrollt und mit diesen dann im Trotro nach Accra fährt. Ich war an diesem Tag schon in Accra, weshalb ich mich abends mit ihm dort traf. Ich wartete gegen zehn Uhr abends an der Poststation im Süden Accras auf ihn. Währenddessen sprach mich jemand an und ich erfuhr, dass von der Elfenbeinküste ist. Er wollte sich gerne mit mir unterhalten und war auch sehr nett, doch kamen wir aufgrund sprachlicher Barrieren nicht weit. Meine wenigen Brocken französisch standen seinen wenigen Brocken englisch gegenüber. Was ihn aber nicht davon abhielt, weiter sein Glück zu versuchen. Doch traf ich kurze Zeit später meinen Gastvater und konnte mit ihm losziehen. Er führte mich zu dem Ort, an dem später in der Nacht die neuen Zeitungen angeliefert werden und stellte mich auch zwei Freunden vor, die schon vor Ort waren. Da noch Zeit war, setzten wir uns gemeinsam in einen Spot und danach ging es zurück. Dieser Ort war ein Haus mit einem großen Innenhof, in dem schon einige auf dem Boden und auf Tischen schliefen und auf die Ankunft der Zeitungen warteten. Mir wurde auch eine Schlafstelle hergerichtet. Einige der alten Zeitungen wurden im inneren des Gebäudes auf dem Boden ausgelegt und ich legte mich darauf um zu schlafen. Auf dem Rücken war es recht bequem, auf der Seite hätte ich gerne geschlafen, doch brauche ich dafür wohl noch etwas Übung. Im Haus war es mollig warm und andere schliefen auch dort schon oder zählten Zeitungen.

Im Gebäude
Im Innenhof
Meine Nacht war nach etwa zwei Stunden schon wieder vorbei, als mich mein Gastvater um 1:25 Uhr weckte und mir mitteilte, dass die Zeitungen nun da wären. Gemeinsam nahmen wir einige Zeitungen aus den beiden mitgebrachten Säcken und gingen zu den entsprechenden Stellen um sie zurückzugeben und die neuen für die folgende Woche zu bekommen. Die zurückgegebenen wurden von den Händlern noch einmal gezählt und auch wir zählten die neuen, da es manchmal vorkommen kann, dass ein Exemplar fehlt, was auch zwei Mal der Fall war. Bei einem Stand bräuchten wir nicht zählen, meinte mein Gastvater, da es bei dem immer stimmen würde.

Zeitungen die ausgegeben werden
Jedes Wochenende kauft mein Gastvater 24 verschiedene Blätter (von jeder Zeitung von 10 bis 150 Exemplare) mit Zahlen über Zahlen und ebensoviele Stände mussten dementsprechend auch abgeklappert werden. Die Frau an dem einen Stand tauchte auch erst später auf, so dass wir auf sie warten mussten. Die ganze Zeit über herrschte ein reges Treiben auf dem Hof. Das ist auch nicht verwunderlich - Accra ist die einzige Ausgabestelle des Landes. Ich hatte vermutet, dass auch Zeitungen in größeren Städten weiter im Norden verkauft werden würden, doch wurde ich da von meinem Gastvater eines besseren belehrt. Ich hielt es ja schon für aufwändig, jeden Samstag von Swedru ungefähr zwei Stunden unterwegs zu sein, aber es kommen auch Transporter aus dem Norden und die werden dann mit sehr vielen Zeitungen beladen und am Ziel weiterverteilt. Diese sind dann aber natürlich aufgrund der Strecke nicht gleich am Sonntagmorgen zu kaufen. Und sie können auch teurer sein. Wenn eine Zeitung sonst einen Cedi kostet, kann es sein, dass man im Norden dafür 1,30 oder 1,50 Cedi bezahlen muss. Außerdem werden die Zeitungen auch in die Elfenbeinküste und nach Nigeria verkauft. Ich hätte nicht gedacht, dass das so weit reicht und die Zeitungen wirklich nur aus Accra kommen!

Die Zeitungen sind für mich ein heilloses Durcheinander von Zahlen. Andere scheinen damit mehr anzufangen zu wissen. Es sind nämlich die Ziehungen der letzten Jahre abgedruckt, so bspw. von 1997 bis jetzt. Dies deshalb, damit man versuchen kann, ein System zu erkennen und daraus abgeleitet einen passenden Tipp abzugeben. Ob's klappt?

Mein Gastvater an einem Stand
24 Zeitungen zu bekommen sollte eigentlich zügig gehen, gebraucht habe wir aber doch bis fünf Uhr morgens. Zwischendurch setzte ich mich auf unsere Zeitungssäcke und wartete auf meinen Gastvater, der noch alleine vereinzelte Stände abklapperte. Und man mag es nicht glauben - ich fand es schon kalt! Während ich da so saß sprachen mich zwar auch ein paar Leute an, doch hätte ich mit mehr Aufsehen gerechnet, wenn ich mit dabei bin. Aber so war es mir auch recht. Es mag daran gelegen haben, dass die Leute sahen, dass ich mit meinem Gastvater da war.

Wir fuhren schließlich zur Trotro-Station in den Stadtteil Kaneshie wo ich mich verabschiedete um am Sonntag noch eine Freiwillige am Flughafen zu verabschieden. Ich wartete oben auf einer Fußgängerbrücke auf den Sonnenaufgang, der aber leider nicht kam - es wurde einfach nur überall hell. Danach ging ich zur Trotro-Station zurück und suchte mir ein schönes Plätzchen zum Schlafen. Ich fand eine Bank, auf der andere Leute saßen (aber nicht schliefen), gesellte mich zu ihnen und verfiel nach der langen (bzw. kurzen Nacht) von halb sieben bis sieben in einen leichten Schlaf.

Bis eine Frau an meinem Bein rüttelte: "Oooobroni!" Hmpf!

Zeitungen im Shop.
Rechts die Glücksspielblätter.

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