Samstag, 24. März 2012

OSM, die Palme fällt

Was war das erste, was ich gemacht hatte, als ich erfuhr, wohin mich mein Freiwilligendienst verschlagen würde? Klar, ich wollte ja wissen, wo mein Einsatzort überhaupt liegt, daher flux mal GoogleMaps aufgerufen, Agona Swedru Ghana eingetippt und - nichts gesehen. Nur einen Punkt im Nirgendwo, welcher mit dem Ortsnamen bezeichnet war. Das half also nicht viel weiter.

Hier vor Ort kam vor einiger Zeit die Idee von einem Mit-Freiwilligen auf, dass man ja selber eine Karte von unserem Ort anlegen könnte. Genau für sowas gibt es schon ein Projekt vieler Freiwilliger auf der ganzen Welt, die daran mitarbeiten, alles mögliche zu kartografieren. Dieses Projekt nennt sich OpenStreetMap (OSM) und es ist mit einem Wikipedia für Karten zu vergleichen, so dass viele Leute daran mitarbeiten und somit beispielsweise auch Fehler beheben können. Der Vorteil einer solchen Karte im Gegensatz zu GoogleMaps ist, dass die Inhalte unter einer freien Lizenz stehen und das auch immer bleiben werden, so dass jeder diese Daten frei nutzen kann.

Das war eine interessante Idee und so beschäftigten wir uns damit, uns zu informieren, wie das ganze praktisch abläuft. Zuerst einmal müssen die einzelnen Straßenzüge, Wege, Flüsse und weiteren nötigen Daten erfasst werden, dann werden sie am Computer entsprechend markiert (Handelt es sich bei der aufgezeichneten Linie nun um eine Straße oder einen Fluss?) und mit weiteren Informationen versehen werden (Wieviele Spuren hat die Straße? Ist sie asphaltiert?). Die Daten-Erfassung erfolgt dadurch, dass man mit einem GPS-Logger oder beispielsweise einem Handy mit GPS-Empfänger alle zu verzeichnenden Strecken abläuft und diese von den Geräten aufzeichnen lässt. Praktisch ist es natürlich, wenn man in einem Auto irgendwo hinfährt und so sehr einfach weitere Strecken aufzeichnen kann.

Aufgezeichnete Strecken im Editor
Im Auftrag der Karte war ich nun die letzten beiden Tage wieder in der Stadt unterwegs. Was sich in meiner Nähe befindet habe ich schon in einer Richtung ganz gut abgedeckt, doch wollte ich mich nun auch noch um andere Bereiche kümmern.

Ich lief eine Straße lang und sah ganz viele Weiße in einem Spot sitzen. Ach ja, da ist ja mittwochs immer der Obroni-Treff :) So traf ich dort auch ein paar bekannte Gesichter und gesellte mich kurz zu ihnen. Danach ging es weiter. Nach ein paar hundert Metern waren die Straßen nicht mehr asphaltiert. Ich folgte dem Hauptweg. Es brachte mich immer ein bisschen in die Bredrouille, wenn ein Weg abzweigte, doch hatte ich oftmals Glück, dass diese nicht immer weit führten, sondern nur eine Zugangsstraße zu ein paar Häusern waren.

In der Nähe hörte ich bald Motorsägengeräusche. Ich schaute auf und sah, wie nicht weit entfernt eine Palme fiel, fiel, fiel, bums. Hei, interessant :) Ich suchte mir einen schmalen Gang zu dem Gelände und wurde gleich von vielen Leuten in Empfang genommen. Ein paar der arbeitenden Männer boten mir gleich eine Kokosnuss an, auf die ich aber verzichtete, so dass sie weiter ihrer Arbeit nachgingen und die Palme in kleinere Stücken zerteilten. Außerdem waren dort mindestens 15 Kinder, die ebenfalls an dem Spektakel Interesse hatten und sich, nachdem die Palme gefallen war, an die Kokosnüsse gemacht hatten, sie aufschlugen und die Kokosmilch tranken. Sie boten mir auch wieder welche an. Nun ließ ich mich nicht länger bitten und ließ mir auch eine öffnen und trank sie. Danach wurde sie weiter mit der Machete aufgeschlagen, so dass ich das Fruchtfleisch essen konnte. Ich begann mit der linken Hand, das Fleisch zu lösen und hörte dabei eines der Kinder etwas von "left" sagen. Huch, stimmt, das macht man ja nicht. Die linke Hand wird hier eher für den Toilettengang und ähnliche Dinge verwendet; beim Essen hat sie nichts zu suchen. Ich wechselte daraufhin zur rechten und vernahm dann auch gleich etwas im Sinne von "ah, nee, doch rechts".

So standen wir ein bisschen zusammen und redeten miteinander. Die Kinder waren etwa 5-14 Jahre alt. Ich fragte, ob noch mehr Palmen gefällt werden würden, was aber leider nicht der Fall war - Fotos gibt es somit nicht davon. Ein Kind wusste, dass ich Lehrer an meiner Schule bin. Das ist ja ein Ding. Es hatte mich mal in unserem Schulbus gesehen. Hm, und ich dachte, wir Weißen sehen alle gleich aus. Ich wurde gefragt, ob ich singen könnte, doch meinte ich, dass mein Gesang schrecklich wäre. Kurze Zeit später weinte auch ein kleiner Junge in der Nähe und ich sagte, dass das auch so wäre, wenn ich singen würde. Das wollten sie aber nicht gelten lassen und drängten mich weiter. Hm, na gut. Doch was sollte ich nur singen? Überleg, überleg. Deutsch sollte es ja schon sein, dass hatten sie sich gewünscht. Etwas von der Ärzten? Nee. Ich entschied mich für Bruder Jakob. Es war schon ein komisches Gefühlt, ihnen etwas vorzusingen, doch hörten alle gespannt zu. Als ich fertig war, meinte ein kleines Mädel, dass es doch schön war. Ein anderes begann damit, das Lied auf englisch zu wiederholen (Brother John, brother John...). Das kleine Mädel wollte dann auch etwas singen, brach aber wieder ab, nachdem ich nach ihrem Beginn „By the rivers of“ mit „Babylon“ eingestiegen war. Sie hatte mir wohl gerne etwas mir unbekanntes präsentieren wollen. Ein Junge wollte dann etwas in Fanti vortragen, doch hatte er den Text nicht mehr ganz im Kopf und musste darüber nachdenken, allerdings wurde er und einige andere Kinder in der Zeit auch wieder nach Hause gerufen, so dass ich das nicht mehr erleben konnte.

Ich ging dann auch wieder und wurde noch von einem Mädel begleitet. Wir kamen an einem Mann und einer Frau vorbei und er begrüßte mich mit „Ca va?“. „Merci, ca va bien. Et trois?“ Nach ein paar weiteren Worten musste ich mich aber doch geschlagen geben, was ihn aber nicht aufhielt, weiter französisch zu sprechen. Dabei verstand ich aber doch, dass die Frau seine Frau ist. Sie holten gerade an einem Brunnen Wasser. Wir unterhielten uns trotzdem so gut es ging und auch ein bisschen auf englisch, bis ich mich wieder verabschiedete, da ich noch einen kurzen Weg für die Karte aufzeichnen wollte und es langsam dunkel wurde. Als das mich begleitende Mädel und ich wieder zurückkamen, verabschiedete ich mich mit „Au revoir."“

Ich wollte nun also wieder nach Hause, das Mädel war weiterhin bei mir und so redete ich ein bisschen mit ihr über ihre Schule. Unterwegs trafen wir einen jungen Erwachsenen, der sich als ihr Bruder vorstellte und mit dem ich ein paar Worte wechselte. Später trafen wir noch einen Bruder. Komische Sache. Der wollte gerne meine Handynummer haben, doch konnte ich das immer nur mit "dabi" verneinen. Dem Mädel sagte ich auch, dass ich den Weg nun alleine finden würde, doch wollte sie noch etwas weiter gehen, da sie mit mir noch zu ihrer Mutter gehen wollte, die in der Nähe der Straße war. Sie arbeitet als jemand, der sich darum kümmert, dass die Frauen hier immer wieder mit einer anderen Haarpracht herumlaufen können (Frisörin wäre da nicht die richtige Beschreibung – Hair-Dresser könnte vielleicht passen). Mit ihr redete ich auch ein bisschen.

Das Mädel ging weiter mit mir mit - sie wollte gerne mein Haus sehen. Das war mir allerdings doch nicht so lieb und so sagte ich ihr erneut, dass ich von nun an gerne alleine weitergehen würde. Ich durfte.

Zuhause baute ich dann gleich meine Aufzeichnungen in der Straßenkarte ein. Es ist vorteilhaft, wenn das zügig danach gemacht wird, da man sich so noch an Besonderheiten erinnern kann.

Die Bearbeiten-Karte im Editor
Danach ging es für mich an die zweite Dusche des Tages (zwei Duschen pro Tag sind hier sehr angebracht). Gestern Abend hatten wir kein Wasser im Haus. Da duschte ich mich dann mit dem Eimer und dachte mir, dass kein Wasser schlimmer wäre als kein Strom. Heute hatten wir wieder Wasser aber dafür abends keinen Strom. Das war mir dann auch wieder nicht recht :)

Ich fand diesen Spaziergang sehr schön, da ich es nett fand, mit der Leuten und Kindern unterwegs zu reden. In der belebten Stadtmitte wird man zwar auch angesprochen, doch fand ich es etwas außerhalb entspannter und angenehmer. Wie gesagt: das waren schöne Erlebnisse :)

Und so sieht die Karte dann auf der OSM-Webseite aus. (Die Strecke, die ich gelaufen bin, zweigt von der oberen roten Straße nach links ab.)

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